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Hat Pankow ein Glücksspielproblem?

Kleine Anfrage vom 01.09.2022

29. September 2022

Bereits seit Juli 2021 ist der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Sehr umstritten ist seit dem das strikte Abstandsgebot von 500 Metern Luftlinie zwischen den Spielhallen. Vielerorts müssen Spielhallen schließen. Damit einher geht aber auch der Verlust von Arbeitsplätzen und den Steuereinnahmen. Laut Statistiken zeigt sich, dass der Deutsche durchschnittlich 16,90 Euro für das Glücksspiel ausgibt. Hierzu zählt das Lottospiel, die Spielhallen und die Online Casinos.


Der Beantwortung der KA sei vorangestellt, dass die voranstehende Aussage Zitat: „Bereits seit Juli 2021 ...“ - insbesondere im Hinblick auf die daraus hergeleitete Schlussfolgerung Zitat: “Sehr umstritten ist seitdem das strikte Abstandsgebot von 500 Metern Luftlinie zwischen den Spielhallen. Vielerorts müssen Spielhallen schließen.“ ... in diesem Kontext nicht korrekt ist. Auf die Ausführungen zu Frage 5 wird verwiesen.

Ich frage das Bezirksamt Pankow von Berlin:
1. Wie haben sich Spielhallen und ähnliche Unternehmen gem. § 33i GewO in den letzten zehn Jahren in Pankow entwickelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahresscheiben und Ortsteilen.)


Die Entwicklung der Spielhallenstandorte im örtlichen Zuständigkeitsbereich Pankow der letzten Jahre ist der beiliegenden Tabelle (Anlage 1) zu entnehmen. Eine detaillierte
Übersicht der Spielhallen nach Jahren und nach Ortsteilen liegt nicht vor. Die aktuelle
Verteilung nach Ortsteilen wurde auf der Übersicht der Spielhallenbetriebe zum Stand
31.12.2021 farblich kenntlich gemacht und ist der in der Anlage 1a) beigefügten tabel-
larischen Übersicht zu entnehmen.


2. Wie haben sich die Lokalitäten in den letzten zehn Jahren in Pankow entwickelt, die nicht unter § 33i GewO fallen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahresscheiben und Ortsteilen.)
Leider ist die Bezeichnung der Lokalitäten zu unkonkret. Wenn damit bspw. die Wettver-
mittlungsstellen als ähnliche Unternehmungen gemeint sein sollen ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht der sachlichen Zuständigkeit der Ordnungsämter unterfallen. Die für den Betrieb derartiger Unternehmungen erforderliche Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag wird vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) erteilt.


Hierzu befragt, gab das LABO unter dem 07.09.2022 folgende Erklärung ab.
„Im Land Berlin benötigen private Betreiber von Wettvermittlungsstellen für deren Betrieb bereits seit 01.07.2012 eine Erlaubnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 7 AGGlüStV 2021 des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO). Ohne diese Erlaubnis findet in den Wettvermittlungsstellen illegales Glücksspiel statt, ungeachtet der Tatsache, dass die Betreiber bis 31.12.2019 de facto nicht die genannte landesrechtliche Erlaubnis erhalten konnten. Erlaubnisvoraussetzung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 AGGlüStV 2021 war und ist, dass der Veranstalter der Sportwetten eine vom Regierungspräsidium Darmstadt erteilte Konzession nach § 10a i.V.m. § 4a GlüStV bzw. Veranstaltererlaubnis nach § 4a GlüStV 2021 innehat. Aus Rechtsgründen konnten die Veranstalter diese allerdings bis zum 31.12.2019 nicht erhalten. Die ersten Konzessionen nach § 4a i.V.m. § 10a GlüStV wurden - nach einer weiteren Unterbrechung des Konzessionsverfahrens – im Oktober 2020 erteilt. Seither ist die Erlaubniserteilung im Land Berlin möglich, sofern die übrigen Erlaubnisvoraussetzungen – hierzu zählen insbesondere auch die Abstandsregelungen nach § 9 Abs. 3 AGGlüStV 2021 – erfüllt sind. Das LABO führt derzeit berlinweit das Erlaubnisverfahren durch. Im Bezirk Pankow wurden seit 2020 für 14 Standorte Erlaubnisanträge gestellt. Der Verfahrensstand gestaltet sich wie folgt

Zur konkreten Entwicklung im Bezirk in den letzten zehn Jahren liegen keine statistischen Erfassungen vor“.
Hier greift eine gesetzliche 500 Meter-Regelung zu Spielhallen, wobei genehmigte
Spielhallen in dem jeweiligen Erlaubnisverfahren beim LABO Berücksichtigung finden


3. Wie viele Spielautomaten gibt es im Bezirk Pankow? (Bitte um Aufschlüsselung gem. 1. und 2.)
Hierzu liegen keine gesonderten statistischen Erhebungen vor. Es können lediglich die in
Spielhallenbetrieben nach § 2 Abs. 1 SpielhG Bln aufgestellten Geldspielgeräte mitge-
teilt werden (siehe Anlage 1).
Die Aufstellung von Geldspielgeräten unter Rückgriff auf die gesetzlichen Bestimmungen der Spielverordnung (SpielV) in Gaststättenbetrieben wird statistisch nicht erfasst.


4. Wie bewertet das Bezirksamt die dargestellten Entwicklungen?
Mit Einführung des neuen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) im Jahr 2021 ist keine
durchgreifende Änderung für die Betreiber_Innen von Spielhallen eingetreten. Es wurde
lediglich die erforderliche Erlaubnis nach § 24 GlüStV erneuert.
Die eingangs besagte Änderung bei Spielhallen ist zeitlich früher - und zwar wie folgt -
einzuordnen: Spielhallen benötigen seit dem 02.06.2011 zwei Erlaubnisse für ihren Be-
trieb. Zum einen die Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 des Spielhallengesetzes Berlin (SpielhG
Bln) und zum anderen die Erlaubnis nach § 24 GlüStV in dessen jeweiliger Fassung.
In seinem § 8 Abs. 1 regelte das SpielhG Bln vom 20.05.2011 das Erlöschen der „alten“
Erlaubnisse nach § 33i der Gewerbeordnung zum 31.07.2016 und machte die Neubean-
tragung einer Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 a. a. O. auch für Bestandsspielhallen erforder-
lich.


Diese Neureglung unter Rückgriff auf das Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin
(MindAbstUmsG Bln) vom 22.03.2016 führte in den Folgejahren zur größten Zäsur unter
den Spielhallenstandorten, was sich unter anderem durch die Einführung der Mindestab-
standsregelung von 500 Metern zur nächst gelegenen Spielhalle und die gesetzlich vor-
gegebene Reduzierung der dort aufgestellten Geldspielgeräte auf maximal 8 begründen
lässt.


Allgemein ist festzustellen, dass der Bezirk Pankow nicht zu den Bezirken mit einer hohen
Spielhallendichte zählte und damit ein sogenanntes Spielhallenproblem hier zu keinem
Zeitpunkt ersichtlich war/ist.

Hinsichtlich der Wettvermittlungsstellen und der Online-Casinos liegen mangels Zuständigkeit keine näheren Erkenntnisse vor. Insofern lässt sich die Frage nach einem möglicherweise vorliegenden Glücksspielproblem nicht beantworten.


5. Welche Präventionsmaßnahmen und Suchtberatungen hinsichtlich des Glücksspiels gibt es im Bezirk Pankow?
Grundsätzlich sind allen Betreiber_Innen von Spielhallen verpflichtet, umfangreiche
Maßnahmen zum Jugend- und Spielerschutz durchzuführen (siehe Anlage 2). Die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorschriften wird kontrolliert. Zuständige Verfolgungsbehörde im Land Berlin ist der Polizeipräsident, das Landeskriminalamt, Bereich Gewerbedelikte. Im Falle der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten erfolgt eine Ahndung in den Berliner Ordnungsämtern, für die Pankower Spielhallen damit im Ordnungsamt Pankow.


Zuständigkeitshalber wurde der Bereich Personalmanagement, Gesundheitsmanage-
ment, im Bezirksamt Pankow befragt und äußerte sich hierzu am 05.09.2022 wie folgt:
„Als interne Präventionsmaßnahme für Beschäftigte des Bezirksamt Pankow, gibt es die
Möglichkeit über die Sozialberatung (Corrente) sich beraten zu lassen. Oder über unsere internen kollegialen Suchtberater, die auch zum Thema Spielsucht / Glücks-spiel ausreichend geschult wurden. Beide Anlaufstellen vermitteln, so gewünscht, weitere Beratungsstellen und helfen bei der Vermittlung von Therapeuten und Selbsthilfegruppen.“


Der ebenfalls befragte Geschäftsbereich 5 im Bezirksamt (Abteilung Soziales und Ge-
sundheit) teilte am 13.09.2022 Folgendes mit:
In Pankow gibt es folgende Präventionsmaßnahmen und Beratungsangebote:
a) Das Präventionsprojekt Glücksspiel ist ein Projekt der pad gGmbH und wird im Auf-
trag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung durchgeführt.
Das Angebot umfasst vielfältige Maßnahmen zur berlinweiten Prävention von Glücks-
spielsucht.
Information, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit:


• Aufklärung der Bevölkerung über Glücksspielrisiken und verantwortungsvolles
Spielen
• Entwicklung differenzierter Präventionsmaterialien und Kampagnen
• Mehrsprachige Webseite unter www.faules-spiel.de
• Individuell zugeschnittene Workshops für Jugendliche und Erwachsene
• Beratungsangebot für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte
• Messenger-Ratgeber bei Glücksspielsorgen via WhatsApp und Signal
• Erstberatung bei Glücksspielproblemen vor Ort, telefonisch und digital
• Passgenaue Weitervermittlung ins Hilfesystem
• Unterstützung für Fachkräfte
• Kostenlose Veranstaltungen in Form von Workshops, Seminaren und Informati-
onsabenden
• Vernetzungsformate und Fachveranstaltungen

• Regelmäßiger Newsletter
• Kollegiale Beratung und Unterstützung bei konkreten Fällen im Umfeld
• (Mehrsprachige) Präventionsmaterialien zum Ausleihen und Bestellen
• Methodenkoffer für Projektarbeit mit Jugendlichen ab 16 Jahren zum Ausleihen
• Online-Materialdatenbank mit interaktiven Methoden, Studien und Fachbüchern
• Landesprogramm


b) Das digitale Präventionsprojekt “ZGS - Zocken. Gamen. Suchten“ ist ein Peer-to-
Peer-Projekt der pad gGmbH in Kooperation mit dem jungagiert e.V. und wird aus
Mitteln der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
gefördert. Das Projekt richtet sich mit seinem berlinweiten Angebot an Jugendliche
und junge Erwachsene sowie flankierend an Angehörige sowie Fachexpert:innen aus
allen Bezirken, die mit Glücksspiel sowie problematischer Nutzung von digitalen
Spielen und sozialen Medien zu tun haben. Anmeldungen für die Workshops sind je-
derzeit online möglich.
• Blogbereich mit Informationstexten, Videos etc.
• digitale Selbsttests zu den Themen (Online-) Glücksspiel, (Online-) Gaming und
Soziale Medien
• Angebotsdatenbank mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten
• Social Wall (am Fuß der Seite) mit thematisch passenden Inhalten aus sozialen
Netzwerken
• Peer-Workshops Medienkompetenz
• Einführung zu den Themen (Online-) Glücksspiel, (Online-) Gaming und Soziale
Medien
• Grundlagen zum Umgang mit Medien und verschiedenen digitalen Tools
• Austausch von Erfahrungen und Meinungen
• Entwicklung von kreativen Inhalten für das Projektportal
• Peer-Workshops Aktionen:
• Einführung zu den Themen (Online-) Glücksspiel, (Online-) Gaming und Soziale
Medien
• Austausch von Erfahrungen und Meinungen
• Entwicklung und Umsetzung von Online- und Offline-Aktionen
• Miteinbeziehung in die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung eines Aktionsplans
Peer-Messenger-Beratung (ab 2023)
• junge Erwachsene als ehrenamtliche Peer-Berater:innen
• Austauschmöglichkeit auf Augenhöhe
• Beantwortung von Fragen und Sorgen zu den Themen (Online-) Glücksspiel, (On-
line-) Gaming und Soziale Medien
• Empfehlung von Unterstützungs- und Hilfsangeboten


c) Glückspielberatung Deck 24

• Die Glücksspielberatung Deck24 ist ein Projekt der Stiftung SPI, John-Schehr-
Straße 24, 10407 Berlin und bietet Glücksspielenden und ihren Angehörigen pro-
fessionelle Begleitung im Umgang mit dem Spielen oder Wetten. Sie berät zu den
Themen, die Betroffene bewegen – ergebnisoffen, kostenfrei und auf Wunsch
anonym.
• Ein multiprofessionelles Team bringt verschiedene Arbeitsschwerpunkte und Ex-
pertisen mit, um die Nutzer:innen und Ihre Lebensumstände besser verstehen zu
können. So kann es in der Beratung auch um weitere Themen gehen, z. B. Sub-
stanzkonsum (Alkohol, Drogen, Medikamente), Streit mit wichtigen Menschen oder
finanzielle Sorgen.
• Schuldnerberatung


d) Selbsthilfegruppe "Länger [stofflich]abstinent & spielfrei"
Cafe 157 John-Schehr-Str. 24, 10407 Berlin


6. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden in den letzten zehn Jahren eingeleitet und abgeschlossen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahresscheibe, Ortsteil und Art der Ordnungswidrigkeit.)
Hierzu liegen keine gesonderten statistischen Erhebungen vor. Das berlinweit bei der Bearbeitung derartiger Ordnungswidrigkeiten verwendete computergestützte Bearbei-
tungsprogramm „EUROWIG“, welches auch im Ordnungsamt Pankow zur Anwendung
gelangt, kennt in seinem Statistikgenerator derartig detaillierte Auswertungsmöglichkeiten nicht.


Die Gesamtzahl der mit Spielhallen in Zusammenhang stehenden Ordnungswidrigkeiten- Verfahren in Pankow ist der tabellarischen Übersicht der Anlage 1 zu entnehmen. Die Anlagen können hier eingesehen werden: