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Besonders schützenswerte Böden im Umgriff des Bebauungsplanes 3-59

Kleine Anfrage vom 08.10.2022

26. Oktober 2022

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

Ich frage das Bezirksamt Pankow von Berlin:

1. Ist es zutreffend, dass es im Umgriff des Bebauungsplanes 3-59 Flächen gibt, die be-sonders schützenswerte Böden beinhalten? Wenn ja, welche sind dies?

Im Umweltatlas Berlin sind die Daten zu schützenswerten Böden frei einsehbar. Die Karte „Planungshinweise zum Bodenschutz“ aggregiert die verschiedenen Bewertungen der ein-zelnen Bodenfunktionen (https://www.berlin.de/umweltatlas/boden/planungshinweise-bodenschutz/). Die Zusammenfassung stützt sich zu einem Großteil auf Extrapolation vor-handener Daten, weswegen lokal andere Gegebenheiten vorliegen können. Im Ergebnis einer bodenkundlichen Untersuchung 2019 (C & E) zeigte sich folgendes Bild. In der nächs-ten Überarbeitung der Karte „Planungshinweise zum Bodenschutz“ wird dieser Stand abge-bildet sein.

Besonders schützenswerte Böden im Umgriff des Bebauungsplanes 3-59

2. Aus welchem Grund sind die Böden schützenswert?

Die verschiedenen Bodenfunktionen (Archivfunktion für Naturgeschichte, Lebensraumfunktion für naturnahe und seltene Pflanzengesellschaften, Regelungsfunktion für den Wasserhaus-halt, Puffer- und Filterfunktion, Ertragsfunktion) sowie die anthropogene Überprägung wer-den bewertet, priorisiert und zusammengefasst. Details finden sich im Leitfaden: Planungs-hinweise zum Bodenschutz - Leitbild und Maßnahmenkatalog für den vorsorgenden Boden-schutz in Berlin in der Fassung vom Mai 2021 (https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/ bodenschutz-und-altlasten/vorsorgender-bodenschutz/).

Die Böden sind also aus verschiedenen Gründen schützenswert. Für den B-Plan 3-59 wurden im Bereich der höchsten Schutzwürdigkeit Kalkwiesenmergel, die eine sehr hohe Archivfunk-tion besitzen, festgestellt. Der Bereich der sehr hohen Schutzwürdigkeit zeigt eine mittlere Archiv- und Lebensraumfunktion für naturnahe und seltene Pflanzengesellschaften. Die hohe Schutzwürdigkeit ist bedingt durch eine hohe Regelungsfunktion des Bodens für den Wasser-haushalt. Die mittlere Schutzwürdigkeit wurde aufgrund einer mittleren Puffer- und Filter- sowie Regelungsfunktion für den Wasserhaushalt vergeben. Besteht keine wesentliche Leis-tungsfähigkeit der Bodenfunktionen oder handelt es sich wie in diesem Fall um Ausschluss-Bodengesellschaften (Auffüllung) wird dem Boden eine geringe Schutzwürdigkeit zugewie-sen.

3. Welche klimatische, floristische und faunistische Bedeutung haben Böden mit sog. Ar-chivfunktion allgemein?

„Boden ist eine begrenzte Ressource und neben Wasser und Luft die wichtigste Lebens-grundlage des Menschen. Er ist Wasser- und Nährstoffspeicher, Lebensraum für Flora und Fauna, Boden filtert und puffert Schadstoffe und er speichert weltweit und auch in Berlin doppelt so viel Kohlenstoffdioxid (CO2) wie die globale Vegetation und die Atmosphäre zusammen. Zudem bietet er in Berlin ein komplexes Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.

Boden ist auch in der Stadt, wenn auch räumlich begrenzt, die Produktionsgrundlage für Nahrungs- und Futtermittel und für nachwachsende Rohstoffe. Boden besitzt grundsätzliche Nutzungsfunktionen als Rohstofflagerstätte, als Fläche für Siedlung und Erholung, für die Land- und Forstwirtschaft, für Verkehr, für die Ver- und Entsorgung. Der Boden in einer Groß-stadt unterliegt einer stetigen Belastung und Inanspruchnahme, die zum unumkehrbaren Ver-lust der Bodenqualität führen. Nur wenn vorausschauend mit dem Schutzgut Boden umge-gangen wird, kann die Bodenqualität und Bodenvielfalt erhalten werden.“ (aus: Planungs-hinweise zum Bodenschutz - Leitbild und Maßnahmenkatalog für den vorsorgenden Boden-schutz in Berlin in der Fassung vom Mai 2021)

Alle unversiegelten Böden weisen eine klimatische Bedeutung auf. Zum einen als wichtigster natürlicher Kohlenstoffspeicher, zum anderen durch ihre Kühlfunktion infolge von Verduns-tung. Zu beiden Bodenleistungen sind durch die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK) jeweils eigene Karten im Umweltatlas geplant.

Die wesentliche Bedeutung von Böden mit Archivfunktion ist die Unwiederbringlichkeit dieser Funktion bei einer Zerstörung. Die Archivfunktion stellt sich v.a. als erdgeschichtliche Urkun-de der Entwicklungsstadien von Böden (z.B. Kalkwiesenmergel) und als Zeugnis der glazia-len und holozänen Landschaftsgeschichte (z.B. Toteissenken, Stauch- und Endmoränen) dar. Die Archivfunktion für Kulturgeschichte ist wenig ausgeprägt und wird effektiver über das Denkmalschutzgesetz gesichert. Zusätzlich können bei Böden mit Archivfunktion je nach Bo-dengesellschaft weitere floristische oder faunistische Bedeutungen hinzukommen. Die floris-tische Bedeutung wird über die Lebensraumfunktion für naturnahe und seltene Pflanzenge-sellschaften abgebildet.

Im Weiteren stellt unversiegelter Boden die Grundlage für floristisch und / oder faunistisch bedeutsame Biotope dar. Eine hohe faunistische oder floristische Bedeutung bedeutet nicht zwingend eine hohe Schutzwürdigkeit des Bodens. Jedoch ist bei einer höheren Boden-schutzwürdigkeit aufgrund der Naturnähe auch auf eine höhere Bedeutsamkeit des Biotops zu schließen. Der Schutz von Flora und Fauna wird über das Bundesnaturschutzgesetz gesi-chert.

4. Welche dieser Bedeutungen haben sie auf den hier genannten Flächen konkret?

Auf allen Flächen im B-Plan-Gebiet besteht in unterschiedlichen Abstufungen eine Rege-lungsfunktion für den Wasserhaushalt und eine Puffer- und Filterfunktion. Zudem finden sich in einigen Bereichen weitere Funktionen wie Lebensraumfunktion für naturnahe und seltene Pflanzengesellschaften und Archivfunktion für Naturgeschichte, s.a. Antwort zu Frage 2. Auf der Fläche mit der höchsten Schutzwürdigkeit wurden Kalkwiesenmergel festgestellt. Es han-delt sich um eine sekundäre Bodenbildung, entstanden durch Durchströmung mit kalkhalti-gem Grundwasser. Dieses stammt aus einem Entkalkungsvorgang der nördlich gelegenen Grundmoränen. Die Anreicherung mit Kalk und damit die Ausbildung eines Wiesenmergels erfolgte durch einen aufwärts gerichteten Wasserstrom. Bedingt durch die Begradigung der Panke und der aktiven Drainung der Fläche ist derzeit eine Kalkanreicherung nicht mehr möglich.

5. Ist dem Bezirksamt bekannt, aus welchen Gründen die Böden östlich der Ludwig-Quidde-Straße keine Archivfunktion mehr aufweisen? Wenn ja, welche sind dies?

Der Ausweisung der Schutzwürdigkeit von Böden liegen Daten zugrunde, die zu einem Groß-teil in die Fläche extrapoliert wurden. Für konkrete Aussagen an einem Standort sind boden-kundliche Untersuchungen erforderlich. In diesem Fall zeigte sich im östlichen B-Plan-Gebiet eine Auffüllung mit Siedlungsbauschutt mit einer Mächtigkeit bis 1,5 Metern. Die natürlichen Bodenfunktionen sind somit nicht mehr gegeben.

6. Sollte es zutreffend sein, dass die Archivfunktion auf diesen Flächen aufgrund der Abla-gerung von Bodenaushub nicht mehr gegeben ist:

a) Sind solche Ablagerungen von Bodenaushub genehmigungspflichtig?

Der Einbau von Boden ist geregelt über § 12 BBodSchV. Darin sind die Anforderungen an auf- bzw. einzubringende Materialien aufgezählt. Dazu gehören u.a. neben der Untersu-chung der Schadstoffgehalte, entweder die Herstellung einer durchwurzelbaren Boden-schicht oder die Wiederherstellung von Bodenfunktionen. Bauschuttmaterialien eignen sich nicht dazu, Boden oder Bodenfunktionen herzustellen. Demnach handelt es sich hier um eine Ablagerung von Abfall. Abfälle aus Bautätigkeiten, die nicht gefährlich sind und nicht ver-wertet werden können, sind vom Abfallerzeuger oder –besitzer eigenverantwortlich einer ordnungsgemäßen Beseitigung zuzuführen. Die zuständige Abfallbehörde ist die SenUMVK.

b) Wer hat die Genehmigung wann aus welchem Grund erteilt?

Eine Genehmigung wurde, soweit nachvollziehbar, nicht erteilt. Die Aufschüttung entstand mutmaßlich Anfang der 1950er Jahre, die entsprechende Bodenschutzgesetzgebung trat erst 1999 in Kraft, das erste Abfallgesetz gibt es seit 1994.

c) Sind vor Aushub und Ablagerung des Bodenaushubs Untersuchungen hinsichtlich Schadstoffbelastungen des Bodenaushubs durchgeführt worden? Wenn ja, mit wel-chem Ergebnis?

Dem Umwelt- und Naturschutzamt liegen keine Gutachten oder Ergebnisse aus Bodenunter-suchungen zur Schadstoffbelastung vor.

d) Wer wäre im Falle einer fehlenden Genehmigung bzw. einer nachzuweisenden Kon-tamination der Böden für deren Dekontaminierung und Beseitigung heranzuziehen?

Zunächst ist mit einer Orientierenden Untersuchung von Seiten des Bezirksamtes über die tatsächliche Schadstoffbelastung festzustellen. Liegen Überschreitungen von Prüf- und Grenzwerten vor, die zu einer Gefährdung von Schutzgütern (Grundwasser, Boden, Boden-luft, Mensch) führen, sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Sind weitere Untersuchungen oder eine Sanierung erforderlich, ist der Verursacher bzw. dessen Rechtsnachfolger, alterna-tiv der Eigentümer des Grundstücks heranzuziehen. Die Sanierungsverantwortlichkeit ergibt sich aus § 4 Abs. 3 BBodSchG.

e) Lässt sich die Archivfunktion auf den genannten Flächen wiederherstellen? Wenn ja, wie?

Im vorliegenden bodenkundlichen Gutachten (C & E, 2019) wurden unterhalb der Auffüllung im östlichen B-Plan-Gebiet auch Wiesenmergel nachgewiesen. Die flächige Verbreitung wurde in diesem Bereich jedoch nicht kartiert. Es gibt demzufolge nur eine ungefähre Aussa-ge zum Vorliegen einer Archivfunktion des gewachsenen Bodens. Eine detailliertere Untersu-chung zum einen zur Verbreitung von Böden mit Archivfunktion, zum anderen zur auflagern-den Mächtigkeit der Auffüllung ist notwendig.

Es ist es möglich, dass die Archivfunktion des Bodens ggf. noch vollständig unterhalb der Auffüllung erhalten ist. Sie hat nur aufgrund der Überlagerung durch eine Ausschluss-Bodengesellschaft (s.a. Antwort zu Frage 2) keinen Einfluss mehr auf die Bewertung der Schutzwürdigkeit des Bodens.

Aufgrund der Mächtigkeit der Auffüllung von > 1 Meter ist eine Wiederherstellung der natürli-chen Bodenfunktionen mit einem hohen Aufwand verbunden. Zunächst müsste die gesamte Auffüllung im Bereich entfernt und die stoffliche Belastung des gewachsenen Bodens unter-sucht werden. Damit ergibt sich zum einen eine Menge an zu entsorgendem Material sowie eine deutliche Senke. Die Auswirkungen auf die angrenzenden hoch schützenswerten Flä-chen durch die Änderung der Fließregime von Grund- und Oberflächenwasser sind im Vor-feld sowohl bodenkundlich als auch ökologisch zu bewerten. Zudem sind die Auswirkungen auf die geplante Bebauung zu berücksichtigen.

Im Sinne des vorsorgenden Bodenschutzes ist es zielführender, den nachweislich vorliegen-den schutzwürdigen Boden im südlichen B-Plan-Gebiet zu schützen.